Sonntag, 16. Oktober 2022, 18 Uhr, Melanchthonkirche Stockach, Eintritt frei, Spenden
- Marc-Antoine Charpentier (1643 – 1704): Te deum
- Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847): Jauchzet dem Herrn, alle Welt (Text: Psalm 100)
- Gabriel Fauré (1845 – 1924): Cantique de Jean Racine
- Maurice Duruflé (1902 – 1986): Notre père
- Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847): Verleih uns Frieden (Worte von Martin Luther)
- Josef Rheinberger (1839 – 1901): Abendlied
Konzertbericht
Andrea Holfeld
Barock trifft Romantik: Musik – gemeinsame Sprache zur Völkerverständigung
Selten waren Zeichen der Demonstration friedlicher Koexistenz zwischen den Völkern wichtiger als gerade in den heutigen Tagen. Der Kammerchor Stockach unter seinem Dirigenten Stefan Gräsle setzte der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen der Gemeinde Stockach und dem französischen La-Roche-sur-Foron, gelebter Beweis für die Überwindung der Feindschaft zwischen den benachbarten Ländern, ein solches Zeichen am vergangenen Sonntag in der Melanchthon-Kirche Stockach.
Wegen der Coronapandemie 2020 verschoben, wurde das Städtejubiläum nun in einem Konzert mit der Aufführung von Werken französischer und deutscher Komponisten nachgefeiert. Bürgermeister Rainer Stolz, der diesen Umstand in seinen einführenden Worten erwähnte, war nicht der einzige Zuhörer, der sich nach kulturell eher mageren Zeiten besonders auf die Musik gefreut hatte. Auch den Sängerinnen und Sängern des Kammerchores Stockach sowie den Instrumentalisten des Nellenburg-Ensembles des Gymnasiums Stockach, die ebenfalls unter Stefan Gräsles Leitung das Konzert mitgestalteten, war die Begeisterung über das gemeinsame Musizieren zu diesem feierlichen Anlass anzusehen.
Und die Werkauswahl entsprach dem Anlass: 1692 wurde in Paris das Te Deum des französischen Komponisten Marc-Antoine Charpentier uraufgeführt, dessen Eröffnungssatz, das „Prélude“, einem breiten Publikum bekannt und auch heute noch häufig gehört ist. So war die Freude über die das Konzert eröffnenden Paukenschläge und Trompetenfanfaren, begleitet von Streichern und verschiedenen Holzblasinstrumenten, die die bekannte „Eurovisionsmusik“ zum Lobe Gottes spielten, in der ganzen Kirche spürbar. Schon in der ersten Konzertminute hatte das Nellenburg-Ensemble, bestehend aus talentierten Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums, ergänzt durch wenige Instrumentalisten aus dem Umfeld der Schule, die Herzen der Zuhörer erobert. In den folgenden Sätzen stimmten zunächst die Männerstimmen des Kammerchors (Te aeternum), danach der gesamte Chor, begleitet vom Orchester, in die jubelnde Musik ein. Beeindruckend choreografiert war das „Te ergo quaesumus“, für das drei junge Musikerinnen des Ensembles gemeinsam auf ein Podest traten und mit ihren hohen Stimmen diesen anspruchsvollen Teil des Te Deums meisterten, um danach, getragen von Cello- und Cembalo-Zwischenspiel, wieder an ihren Instrumenten Platz zu nehmen und mit allen weiter zu musizieren. Sowohl der Chor als auch das Orchester mit seinen engagierten, überwiegend jungen Musizierenden boten dem Publikum ein prachtvolles Stück Barockmusik, bei dem kleine Unstimmigkeiten im Zusammenspiel zwischen den einzelnen Akteuren den Hörgenuss kaum beeinträchtigen konnten.
Die romantischen Folgewerke des Abends, Mendelssohns „Psalm 100 (Jauchzet dem Herrn, alle Welt)“ und das so hochaktuelle „Verleih uns Frieden“ nach Worten von Martin Luther, getragen von Celloklängen aus dem Orchester, wurden schwerpunktmäßig vom Kammerchor mit freudigem Einsatz gestaltet. Die von Gabriel Fauré mit gerade 20 Jahren 1865 komponierte „Cantique de Jean Racine“, ein Werk für Chor und Orchester, erfüllte die Melanchthon-Kirche noch einmal mit orchestralen Harmonien und eingängigen romantischen Chormelodien – gefolgt von Maurice Duruflés „Notre Père“, einer französischen Fassung des Vater unser.
Die von Petra Domm zwischen den einzelnen Musikblöcken gelesenen, thematisch passenden Texte ergänzten den musikalischen Abend.
Mit einer von Stefan Gräsle am Beginn des Konzerts angekündigten Überraschung entließen die Musiker ihre Zuhörer: Alle Instrumentalisten gesellten sich am Ende zum Chor und sangen gemeinsam mit diesem das stimmungsvolle 6-stimmige „Abendlied“ von Josef Rheinberger. Beseelt von den Abschiedsklängen, die alle Aufführenden als Zugabe noch einmal wiederholten, durfte sich das sichtbar beglückte Publikum auf den Heimweg machen – bereichert durch die Erfahrung, dass Musik als gemeinsame Sprache Grenzen überwindet und Zeichen der Versöhnung und Freundschaft setzt! Wenn in diesen Zeiten alles so einfach wäre!